Gestern habe ich euch auf Facebook gefragt: “Wie sieht eure Stadt der Zukunft aus?” und war vollkommen überwältigt von euren interessanten, tollen und klugen Inputs. Wie die Stadt der Zukunft aussehen soll, ist eine wesentliche Frage, die uns alle früher oder später betreffen wird. Im Rahmen des Smart City Awards des Klima- und Energiefonds habe ich mich mit dem Thema der intelligenten Stadt der Zukunft auseinandergesetzt (mehr zum Award am Ende des Beitrags). Millionenstädte sind ein Szenario der Zukunft, denn Menschen entscheiden sich zunehmend gegen das Land, für die Stadt. 2050 werden sich laut Prognosen etwa zwei Drittel der Weltbevölkerung in Städten aufhalten. Doch Urbanisierung muss einem industriellen und technologischem Standard gerecht werden, damit sich das Leben in der Stadt nicht eine Blase aus Smog, Verkehrshorror und sozialer Ungerechtigkeit verwandelt.
Mein erster Gedanke beim Thema “City statt Land” war: wie kann das Leben in der Stadt grüner und ökologisch wertvoller/effektiver sein, als das Leben am Land? Ist sowas überhaupt möglich? (Anmerkung: Stadtbewohner erzeugen weniger CO2 als Bewohner des Flächenraumes). Vor einiger Zeit sah ich folgende Doku über Smart Cities, die mich, ehrlich gesagt, sowohl in Angst als auch Wohlbehagen versetzt hat.
Angst, weil die Vorstellung, in einer gigantischen (überwachten!) Stadt zu wohnen, nicht unbedingt meiner Auffassung von “schönem Leben” entspricht (ich habe ja 2010 für zwei Monate in Seoul, Südkorea, gelebt und mich durch die Maßen täglich erdrückt gefühlt) und Wohlbehagen, weil die Doku zeigt, dass sozial-ökologisches Unternehmertum à la Elon Musk möglich ist. Heute möchte ich euch einige Konzepte vorstellen, die mir persönlich besonders gut gefallen und die ich in “meiner” Stadt der Zukunft gerne hätte.
1. VERTIKALE GÄRTEN
Ich steige an der Station “FS Garibaldi” aus und nehme die Rolltreppe ins Freie. Schon einige Monate war ich nicht mehr in Mailand und bin neugierig, was aus der etwas herunter gekommenen Gegend um den Bahnhof Garibaldi, wo ich als Studentin lebte, geworden ist. Ich sehe Hochhäuser, viele Hochhäuser. “Ui” denke ich mir “sieht aus wie in Kaisermühlen”. Doch dann entdecke ich es: das grüne Haus. Der “Bosco Verticale”, also der “vertikale Wald” ist ein wahrer Hingucker inmitten der modernen Skyline. Ein Hochhaus, das von lauter Bäumen und Pflanzen gesäumt ist. Wie kleine Sprungbretter sehen die weißen Balkone aus, an denen es grünt. Es dauert aber noch eine gefühlte Ewigkeit, nach meinem Erlebnis auf der Piazza Gae Aulenti, bis ich weiß: dieses Gebäude sieht nicht nur hübsch aus, sondern ist verdammt nachhaltig. Denn: begrünte Fassaden tragen zu einem guten Mikroklima in der Stadt bei. Fassadenbegrünung kühlt im Sommer, dämmt natürlich im Winter und sorgt für Lärmschutz. Man spart also nicht nur Energie, sondern beugt auch einem Phänomen vor, das sich Urban Heat Islands, also urbane Hitzeeffekte bzw. -inseln, nennt. In dicht verbauten Gebieten kommt es in Städten sehr oft zu rasanter Hitzeentwicklung, welche negative klimatische Auswirkungen haben.
Grüne Fassaden sind für mich ein Beispiel, wie einfach und ästhetisch hochwertig “Technologie” aussehen kann. Manchmal hat die Natur uns bereits eine Lösung gegeben, wir müssen sie nur sehen! Hier könnt ihr übrigens den Strategieplan zu Urban Heat Islands für Wien nachlesen (sehr interessant!).
2. DIE FAHRRAD REVOLUTION
Als Mao Zedong’s 1949 China übernahm, waren Fahrräder das geliebt kommunistische Fortbewegungsmittel. Doch mit Industrialisierung und Wirtschaftsboom verabschiedete sich das Fahrrad mehr und mehr aus chinesischen Städten, wie diese heute aussehen, wissen wir alle. Think Mundschutz. Think Smog. 1980 fuhren in China noch 63% aller Pendler mit dem Fahrrad zur Arbeit, 2000 waren es nur noch 38%, heute sind es weniger als 12%. Doch gute Nachrichten: Das “Battle der Bike-Sharing-Start-Ups” findet bereits seit Jahren in China statt und ist ein Markt, der von Monat zu Monat wächst. Der Plan ist es, bis 2020 über 18% der Bevölkerung Pekings dazu zu bringen, mit dem Fahrrad zur Arbeit zu fahren. Einer der drei größten Anbieter des Bike-Sharings in China, Mobike, bekam kürzlich erst eine Investition von 215 Millionen US-Dollar zum Ausbau des Angebots.
Doch wo Fahrräder sind, da muss auch entsprechende Infrastruktur her. Niemand fährt gerne mit dem Fahrrad zur Arbeit, wenn sie oder er dabei ihr/sein Leben riskieren muss. “Velotopia”, unter LiebhaberInnen genannt, heißt sie, die fahrradfreundliche Stadt der Zukunft. Mit gutem Beispiel voran gehen Städte wie Amsterdam oder Kopenhagen, wo es mehr Fahrräder als Autos gibt. Die Stadt der Zukunft baut keine doppelspurigen Straßen für AutofahrerInnen, sondern für FahrradfahrerInnen. Die ArchitektInnen und DesignerInnen vom australischen Büro Cycle-Space gaben in einem Interview mit Wired einige ihrer bahnbrechenden Ideen Preis: durchgängig überdachte Fahrradwege (Witterung ist keine Ausrede mehr!), verbesserte Verkehrsführung und Vorrang für FahrradfahrerInnen, zum Beispiel durch Brücken oder Unterführungen ohne Ampeln (eine Idee sei auch ein Viadukt, wo RadfahrerInnen durch einen Ventilator Rückenwind bekommen und somit schneller sind), Wohnhäuser, die über Aufzüge verfügen, wo FahrradfahrerInnen einsteigen und über eine Rampe bis in die Wohnung rollen können, inklusive Stauraum für’s Fahrrad direkt in der Wohnung. In Velotopia kann man mit dem Fahrrad direkt ins Geschäft rollen und Fahrräder zwischen Regalen stellen kein Problem dar. Cool, oder?
3. TINY HOMES
Das Mäusezuhause, nicht nur süß, sondern auch praktisch. Bereits seit Jahren setze ich mich mit dem Thema tiny living auseinander, erstmals als ich mit dem Wohnwagon (den ich hier besucht habe) in Berührung kam. Dann sah ich die Doku “TINY”, die mich fast dazu gebracht hätte, mich von 90% meiner Besitztümer zu trennen und “klein” zu leben. Tiny living bedeutet nichts anderes, als auf kleiner Fläche zu leben und im besten Fall auch autark und mobil damit zu sein. Für die Stadt der Zukunft gibt es viele Konzepte, die es möglich machen, auf kleinem Raum zu leben. Für Städte wie Tokio, mit begrenztem Wohnraum und großer Population, ist dieses Konzept nichts Neues. Doch wie sieht es in Europa aus? Vor allem dort, wo alleine wohnen (“the rise of the singles”) immer beliebter wird?
In Berlin ist ein Tiny House Park in Planung und im Tiny100 kann man in Berlin Kreuzberg auf 6,4 Quadratmetern um 100€ monatlich wohnen (einen interessanten Erfahrungsbericht zum Probeleben im Tiny100 könnt ihr hier lesen). Wohnen auf kleiner Fläche gibt einem mehr Geld für Wichtiges (Gesundheit, Freizeit, die neuen Luxusgüter) und schafft Platz im Kopf. Minimalismus pur eben!
Früher glaubte man, dass Metropolen ungesund und nicht lebenswert seien, doch spätestens seit dem neuen Urbanismus weiß man: Städter sind im globalen Durchschnitt gebildeter, wohlhabender, sogar gesünder als Landbewohner. New Yorker leben länger als Wisconsiner. Und: Forschungen haben gezeigt, dass Slums “nichts anderes als Durchlauferhitzer des sozialen Aufstiegs sind, in denen Menschen mit Kleingewerbe, Handwerk und Recycling mittelfristig so gut wie immer aufsteigen und dann in bessere Wohnviertel umziehen.” (Quelle)
Abseits der wenigen Konzepte, die ich euch hier vorgestellt habe, möchte ich auch noch eure gesammelten Wünsche für die schönste Stadt der Zukunft hier festhalten:
- Stark verbilligte oder gar kostenlose Öffentliche Verkehrsmittel
- Steuer für Stadtautofahrer und weniger bis gar keine Autos
- Mehr Bauernmärkte, Greißler, weniger Supermärkte
- Viele Parks und Grünflächen
- Authentische Restaurants, von Menschen verschiedenster Kulturen geführt
- Barrierefreiheit in allen öffentlichen Gebäuden
- Gemeinschaftsgärten, Urban Gardening
- Straßenfeste und Kulturveranstaltungen im öffentlichen Raum
- Park- and Ride-Anlagen am Stadtrand mit ausgezeichneter Anbindung an Öffentlichen Verkehrsmittel
- Offene, zur Kommunikation anregende Wohnumgebungen
- Grätzelstrukturen mit Mehrgenerationenhäusern
- Öffentliche Gemeinschaftsflächen ohne Konsumzwang
- Raum für Eigeninitiative und Projekte der Bürger
- Leistbarer Wohnraum für alle
- Vermeidung von Abfall von Ressourcenverschwendung, Fokus auf Recycling und Rückgewinnung von Wertstoffen aus dem Abfall der Stadt
- Bildung für alle
- Toleranz zwischen den Generationen.
- Kreative Nutzung von Leerstand , statt Neubau
- Für alle die Möglichkeit ihr Lebensumfeld aktiv mitzugestalten, erfolgreiche und kreative Bürgerbeteiligung
- mobile Autovermietung (elektronisch/solar)
- Möglichkeiten von Offener Kommunikation
- Gendergerechte Stadtplanung
- Elektrokutschen statt Fiaker
- Freies wlan überall
- Tolle spielplätze für kinder
- Große Hundefreilaufzonen
- Obstbäume in öffentlichen gärten
- Eine Stadt für Menschen, nicht für Autos.
- Die Stadt der Zukunft ist bunt, vielfältig und weltoffen.
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