Die Wahrscheinlichkeit, dass ich in naher Zukunft ein 100.000€ Elektrofahrzeug besitzen werde, ist gleich null. Zum Einen, weil ich mir, wenn ich diese Summe an Geld hätte, vermutlich eher einen alten Bauernhof mit 100 geretteten Wursthunden und anderen Tieren kaufen würde, zum Anderen, weil mich ein Auto von A nach B bringen muss. Warum ich mir aber trotzdem irgendwann einen Tesla kaufen möchte, wenn auch nur das günstigere Model 3, erzähle ich euch heute.
Wer einen Tesla fährt, braucht kein Tinder. Sieben Tage durfte ich das Model X 90D fahren, eine schwarze 6-Sitzer Familienkutsche, liebevoll “black beauty” von mir getauft. Noch nie in meinen knapp 28 Jahren Leben habe ich so viel Aufmerksamkeit vom männlichen Geschlecht bekommen, gerne würde ich behaupten, dass es an mir und nicht am Auto lag. Das Model X ist das SUV Modell von Tesla, mit seinen Falcon Wing Doors gleicht es eher einem Bat-Mobil, selbst Menschen, die Tesla nicht kennen, starren mich also an, wenn ich parke und die Türen öffne. Wenn man so ein Auto fährt kann man sicher sein, nicht unbemerkt zu bleiben. Ob mir das manchmal unangenehm war? Schon. Ich bin kein Luxus-Junkie und auf großem Fuß leben muss ich auch nicht, trotzdem bin ich seit einiger Zeit, nicht erst, seit ich das Model X eine Woche lang Probe fahren durfte, ein großer Tesla Fan. Weswegen? Deswegen:
TESLA IST EHRLICH
Es gibt Unternehmen, die bringen ab und zu eine nachhaltige Modekollektion raus, manche Unternehmen sprechen viel über diesen einen Turnschuh, der aus recyceltem Plastik hergestellt wird. Das Problem? 80% des Budgets werden für Kommunikation (PR, Presse, Marketing, Social Media) und 20% für die Entwicklung des eigentlichen Produkts aufgewandt. Ich würde mich trauen zu sagen, dass die meisten Lifestyle-Produkte, die nicht dezidiert in den Bereich “Nachhaltigkeit” fallen, so vertrieben werden. Das meiste Geld wird dafür verwendet, über das tolle, meist pseudo-grüne Produkt zu sprechen, und ein minimaler Bruchteil des Budgets wird tatsächlich in Innovation und Technologie gesteckt. Dabei sollte es doch genau umgekehrt sein, oder?
Tesla macht keine Werbung, vertreibt direkt über das Internet, ohne Autohändler und zusätzliche Margen. Fast jeden Cent, den dieses Unternehmen gewinnt, investiert es umgehend in Forschung und Technologie. Gründer Elon Musk wurde sehr jung, mit 27 Jahren, zum Millionär und hat selbst genau das getan: sein gesamtes Vermögen investiert, statt sich darauf auszuruhen. Sein Gehalt bei Tesla beträgt aktuell einen US-Dollar jährlich.
Don’t get me wrong: ich lebe von Werbebudgets. Ohne Unternehmen, die auf Dariadaria werben, hätte ich keine Existenzgrundlage. Nach fast sieben Jahren in der Branche kann ich aber überzeugt behaupten: Überzogene Marketing Budgets sollten der Vergangenheit angehören. Wir sind an einem Punkt angelangt, wo wir Innovation und nicht den hundertsten Mascara, der sowohl Volumen als auch Länge verspricht, brauchen. Doch mehr dazu im nächsten Punkt.
WAHRER IMPACT VS. BULLSHIT
In den letzten Jahren war ich bei zig Konferenzen, Podiums-Diskussionen und Events zum Thema Start-Up und Impact. Da sitzt man neben dem Marketing Chef von Pinterest oder der CEO der erfolgreichsten Affiliate-Plattform. Alle feiern sich, weil sie Unmengen an Geld von Investoren bekommen haben, weil sie mit Mitte zwanzig, jung, erfolgreich und urban sind (#girlboss) und dir in 10 Sekunden sagen können, was sie wollen, wo sie sich in 10 Jahren sehen und wissen, wie sie von dir profitieren könnten. Was mich an daran aber, der zynische Unterton verkennt es kaum, stört, ist dass es sehr wenige Menschen in diesen Blasen gibt, die wahre ProblemlöserInnen sind und etwas anderes wollen, als sich selbst super geil zu finden. Es geht meistens nicht darum, großen Raum für Veränderung zu schaffen, sondern um mit Endverbraucherprodukten wie Apps oder Werbung, möglichst schnell möglichst viel Kohle zu machen.
“Die hellsten Köpfe meiner Generation denken darüber nach, wie man Leute dazu bringt, auf Anzeigen zu klicken” – Jeff Hammerbacher (ehemaliger Facebook-Programmierer)
Ein Gamechanger ist niemand, der eine App programmiert, wo UserInnen Outfits bewerten können und auch niemand, der eine Plattform schafft, wo es nur darum geht, KonsumentInnen Produkte anzudrehen, außer Acht lassend wie umwelt- und menschenverachtend diese hergestellt wurden, um sich dann selbst an den Umsätzen zu bereichern. Gamechanger sind Menschen, die aktuelle Probleme erkennen, analysieren und dann Lösungen suchen. Die Social Impact Szene ist zwar nach wie vor eine sehr elitäre, die vorranging Lösungen für weiße, reiche Menschen schafft, denn keiner Familie im Slum ist mit einem schönen Elektroauto geholfen, trotzdem denke ich, dass es diese Art sinnvoller Innovation braucht, vor allem für die weißen, reichen Menschen, die es sich aussuchen können, ob sie ihr vieles Geld in die Destruktion des Planeten und Ausbeutung oder in “sinnvolle” Luxusprodukte investieren.
Ein weiterer Grund, weswegen Tesla nicht nur existiert, um sich selbst zu feiern, ist die Tatsache, dass das Unternehmen seine Technologiepatente an die Konkurrenz freigibt. Gründer Elon Musk verkündete im Juni 2014: alle Patente werden öffentlich gemacht, es werden keine Patentrechtsklagen eingereicht, wenn andere Firmen die von der Firma entwickelte Technologie verwenden. Es geht um die Verbreitung von Elektromobilität, nicht darum, wer der Coolste, Tollste, Reichste ist.
ELON MUSK IST KEIN HELD, ABER SCHON VERDAMMT COOL
Sozial motivierte UnternehmerInnen wie Helden zu feiern birgt viele Gefahren. Treffender, als in einem Artikel von enorm, könnte ich es nicht formulieren:
“… den modernen Weltbürger mit sozialem Gewissen, der zu vollbringen scheint, was Staaten nicht gelingen will: revolutionäre Ideen verwirklichen, Menschen begeistern, dabei gut verdienen und obendrein die Welt für alle ein bisschen besser machen. (…) Der ‘Heropreneur’, so die Wissenschaftler, sei der bewunderte Gründer, der sich für den Anstoß gesellschaftlicher Veränderung halte. Politischer Wandel sei für ihn in erster Linie eine unternehmerische Herausforderung. Gemeinschaften betrachte er wie große Unternehmen, deren Probleme vor allem geschäftsmännischer Lösungen bedürften. Viele meinten, solche missionsgetriebenen Individuen führten durch ihr unternehmerisches Genie disruptiven Wandel herbei, schneller und effizienter als jeder Staat. (…) Was wir an Individualisten bewundern, ist das romantische Ideal, dass sie ihre Potenziale scheinbar frei von allen Zwängen verwirklichen. Was sie anfassen, begeistert Menschen; sie wirken wie begnadete Künstler, deren Eingebungen wir Normalsterbliche nicht begreifen.”
Das Fazit des Artikels? Die grenzenlose Kreativität und Genialität von “Heropreneurs” wie Elon Musk garantiert noch kein soziales, besseres Miteinander oder eine rosige Zukunft. Ein Elon Musk kann nicht für gleiche Rechte zwischen Mann und Frau, eine gerechtere Verteilung auf sozialer Ebene oder den Weltfrieden sorgen – dafür braucht es schon eine gesamtgesellschaftliche Leistung. Es braucht Dialog und Zusammenarbeit, nicht nur eine Mars-Besiedelung oder 3D Tunnel unterhalb von Los Angeles.
Wer Elon Musks Biografie aber liest, wird schwer drum herum kommen, ihn kurzzeitig zu idealisieren. Musk, der als junger Mann Heizkessel eines Sägewerks reinigte (beim Lesen dieser Passage bekommt man leichte Beklemmungen), weil es der am besten bezahlte Job war, den niemand anderer machen wollte, hat sich jeden Cent seines Vermögens hart verdient und klug (meiner Meinung nach zumindest, darüber lässt sich bestimmt streiten) investiert. Auch wenn man Gespräche mit Musk verfolgt und feststellt, wie geerdet und direkt er auf Fragen, egal wie kritisch, antwortet, muss man sich bemühen, ihn nicht verdammt cool zu finden.
BLA BLA BLA – WIE WAR DENN NUN DAS AUTO?
Ich habe nicht geliebt, dass….
- … es bisher nur eine Supercharging Station in Wien gibt (Anmerkung: Supercharging Stations sind Ladestationen, wo das Fahrzeug besonders schnell, nämlich in weniger als 2 Stunden, voll aufgeladen werden kann).
- … ich festgestellt habe, dass ein eigenes Elektroauto momentan nur Sinn hat, wenn man über einen eigenen Ladeanschluss Zuhause (zB. in der Garage) verfügt, wo man einfach über Nacht laden kann.
- … das Auto für meine Zwecke viel zu groß ist und somit die Parkplatzsuche erschwert wird.
Ja, ein Tesla kostet (noch) eine Stange Geld, die ich und ihr vermutlich nicht bezahlen können. Doch wenn der Plan von Elon Musk aufgeht (zuerst teure Sportmodelle rausbringen, die dann die Massenproduktion günstigerer Modelle vorfinanzieren), wird mein Traum von leistbaren Elektroautos für alle bald wahr. Allein deswegen und wegen der vielen, im Artikel genannten Gründe, ist Tesla ein Unternehmen, dass ich richtig gut finde.
Disclaimer: das Fahrzeug wurde mir kostenlos von Tesla zur Verfügung gestellt, es folgte keine Bezahlung, dieser Blogpost ist unverbindlich aus eigenem Willen entstanden.