How To: Pilgern in Österreich

Beim Wort “Pilger” dachte ich früher immer an religiöse Fundamentalisten, die sich zu Fuß nach Mariazell quälen. Als ich dann aber von Ernsts Vorhaben (von Wien nach Marokko zu Fuß zu gehen) erfuhr, dem Pilgern 2.0, eröffnete sich mir eine neue Welt und ich traute mich tatsächlich: zu Fuß am Jakobsweg. Wie ihr das am Besten anstellt, könnt ihr in diesem Beitrag genau nachlesen.
 

DIE VORBEREITUNG

Vorbereitet muss so eine Pilgerreise eigentlich kaum werden. Natürlich braucht ihr das richtige Gepäck (mehr dazu weiter unten), ihr müsst aber weder trainieren, noch irgendwas im Voraus buchen (mehr dazu aber auch im übernächsten Punkt). Das Einzige, was vorbereitungstechnisch aber sicher von Vorteil ist, ist eine mentale Loslösung bzw. ein Loslassen von Wunschvorstellungen. Es gibt keine Möglichkeit, sich mental auf das Pilgern vorzubereiten, denn es kommt, wie es kommt. Das kann manchmal wunderschön und manchmal richtig anstrengend sein! Ich finde es wichtig möglichst erwartungslos an das Ganze ranzugehen, denn es kommt immer anders, als man denkt.
 

DIE ROUTE

Der Jakobsweg führt, entgegen des Irrglaubens, dass er nur durch Spanien führt, durch halb Europa. Man sagt, er beginnt dort, wo man losgeht, das kann in Finnland oder in Rumänien sein. „El camino comienza en su casa“ (Der Weg beginnt in Ihrem Haus) heißt es. Ausgeschildert ist der Jakobsweg aber vor allem sehr gut ab Ungarn und Polen im Osten und Deutschland im Norden.

Die Beschilderungen des Jakobsweges sind meistens gelb-blaue Schilder, die ein sonnenartiges Symbol, ähnlich einer Jakobsmuschel tragen. Diese Schilder sind manchmal besser, manchmal schlechter, manchmal nur als winziger Sticker, manchmal als das Wort “Jakob” oder nur als Plastikmuschel angebracht. Es gilt also: Augen offen halten. Ernst, den ich begleitet habe, ist aber nicht nur den Jakobsweg entlang gegangen, sondern hat einige Strecken über andere Wege zurückgelegt, wie zum Beispiel im Salzkammergut, wo er bevorzugte am Wolfgang- und Fuschlsee vorbei zu gehen. Ich habe Ernst von Telfs in Tirol bis Lagen in Vorarlberg begleitet.

Die meiste Zeit kann man einfach Anrainer fragen, wenn man nicht weiter weiß, denn die wissen eigentlich immer, wo der Jakobsweg entlang führt. Genaue Routenpläne und Etappen findet ihr auf Seiten wie pilgerwege.at oder jakobswege-a.eu.


 

DIE JAHRESZEIT

Generell gilt: Touristen und Wetter abwägen. Im Sommer ist es vor allem heiß und der Pilgertourismus boomt (vor allem in Spanien!). In Österreich wird man selten Menschenmassen auf Pilgerwegen vorfinden, sollte dennoch auf halbwegs stabiles Wetter setzen.
 

DIE ETAPPEN

Im Internet findet ihr einige vorgeschlagene Etappen, die meisten suggerieren um die 15-25 km am Tag zurück zu legen. Am Anfang war ich mental auch recht fixiert auf die Vorstellung, ein fixes Tagespensum zu erfüllen, entledigte mich aber sehr schnell von dieser Vorstellung. Es gibt Tage, da fühlt sich ein Kilometer wie ein Schritt an und Tage, da hat man erst fünf Kilometer hinter sich und denkt, es seien bereits hundert. Sprich: man sollte so weit gehen, wie es die Tagesverfassung, Laune und das Wetter erlaubt.

Laut meinem Schrittzähler sind wir am Tag rund 20km gegangen, wobei 20km einfach flache Ebene oder steiles Gebirge sein können – es ist also alles eine Frage der Gegebenheiten. Ich finde, man muss sich kleine Etappen á 8km genau so erlauben, wie verrückte Distanzen á 50km (die Ernst auch zurück gelegt hat).

Aus der kurzen Pilgererfahrung, die ich sammeln konnte, hat sich bewährt gemacht, früh loszustarten, ca. 3/4 Stunden zu gehen, zur Mittagshitze eine Pause inkl. Essen und Schläfchen im Schatten einzulegen und am Nachmittag weiter zu ziehen.

 
DAS GEPÄCK

Was genau ich gepackt habe, habe ich bereits in diesem Post verraten. Auf Facebook wurde meine Auswahl stark kritisiert, es sei zu viel. Am Anfang sind 10kg schwer und fühlen sich auch sehr schwer an, im Nachhinein bin ich aber sehr froh, genügend mitgehabt zu haben. Wir sind oft spät Abends angekommen und früh Morgens aufgebrochen, also keine Zeit, in der man Wäsche waschen und trocknen hätte können. Lediglich am Pausentag konnten wir Wäsche waschen. Grundsätzlich gilt aber natürlich: nur so viel mitnehmen, wie man auch tragen kann. Ich bin mit einer ungewöhnlichen Kraft (für meine Körpergröße und Statur) gesegnet und schaffe es gut, 10kg am Rücken zu tragen, vor allem ab dem zweiten Tag fiel mir gar nicht mehr auf, dass ich einen Rucksack trug.

In Retrospektive hätte ich vermutlich folgende Sachen aus meinem Packpost Zuhause gelassen: die Sandalen (gegen Flip Flops eingetauscht), den Laptop (!) – leider brauchte ich den zum Arbeiten unterwegs, ein Kleid, einen Bikini und ein Shirt. Mehr hätte ich aber um ehrlich zu sein nicht entbehren können. Schaut einfach, was für euch passt und wie eure persönlichen Präferenzen sind: zieht ihr ein verschwitztes Shirt gerne zwei mal an? Dann gerne weniger einpacken, bequemer ist es bestimmt!

 
DIE UNTERKÜNFTE

Auf Instagram haben viele von euch gefragt, ob wir irgendwas im Vorhinein reserviert haben. Nein! Nachdem wir unsere Etappen sehr flexibel gestaltet haben, sind wir manchmal etwas eher, manchmal etwas weiter als geplant eingekehrt. Einmal haben wir im Turnsaal einer Volksschule übernachtet, weil Ernst einfach vor Ort gefragt hat, manchmal in ganz tollen Hotels wie dem Hotel zur Pfeffermühle in St. Anton. Als PilgerIn kann man auch oft sehr günstig in Pilgerunterkünften oder Pfarrhöfen/Klöstern übernachten. Ein einziges mal hatten wir um 19 Uhr noch keine Unterkunft, da wir in einem Ort waren, wo es schlichtweg keine Pensionen gab, am Ende wurde und aber von unheimlich hilfsbereiten Menschen geholfen, die eine Unterkunft im nächsten Ort organisierten. Das “mit den Menschen ins Gespräch kommen” gehört zum Pilgern dazu und ist einer der schönsten Aspekte dabei!

Von PilgerInnen in Spanien weiß ich, dass zur Hochsaison (Sommer) die Unterkünfte sehr schnell ausgebucht sein können. Viele PilgerInnen reisen auch mit Zelt, um so flexibler zu sein.
 

DAS BUDGET

Wie immer hängt es von den persönlichen Präferenzen ab: man kann totally low budget oder totally luxurious pilgern. Wenn man mit Zelt/Hängematte ausgestattet loszieht und hauptsächlich im Supermarkt Essen bezieht, kann man mit wenigen Hundert Euro über mehrere Wochen hinweg reisen, kann sich aber auch für eine luxuriösere Variante mit schönen Hotels oder irgendwas dazwischen entscheiden (ich bevorzuge Letzteres).


 
 

// In Kooperation mit Tatonka //