Wir leben in einer Welt, die uns Tag und Nacht zu etwas anderem machen will, außer uns selbst. Nach dem Motto: schöner, schlanker, besser opfern wir unsere Authentizität für Menschen, die wir nicht einmal kennen. Täglich wird uns diktiert wie wir aussehen, wiegen, Sex haben, unsere Wohnungen einrichten und uns kleiden sollen. Wir verfügen über mehr Wissen denn je zu gesunder Ernährung, healthy lifestyle, was auch immer gerade gehyped wird. Der Outcome? Wir sind die übergewichtigste, gestressteste, nervöseste und depressivste Gesellschaft seit Beginn der Menschheit.
Kennt ihr das? Diese Tage, an denen man unheimlich zufrieden mit seinem Leben ist, das Gefühl hat alles zu haben was einen glücklich macht. Und dann scrollen wir durch Instagram: Dieses Mädchen ist schlanker, diese hat eine Valentino Tasche, die andere macht gerade Urlaub auf den Malediven. Und ihr Haar glänzt auch ganz toll. Sogar das Haar von ihrem Hund ist schöner als meines!! “Comparison is the thief of joy” – wie es Theodore Roosevelt auf den Punkt gebracht hat. Nur würde es in meiner Welt heißen “Comparison is the thief of happiness”. Wir leben in einer Gesellschaft, in den wir dazugehören aber gleichzeitig die Außergewöhnlichsten sein sollen. Wir sollen wie jeder andere sein, bloß besser. Ein Paradox dem kein Mensch gerecht werden kann.
Es ist eine Welt, in der Glück über materielle Güter und Prestige über Leistung definiert wird. Eine Welt, in der Erschöpfung und wenig Schlaf ein Statussymbol ist (wenig Schlaf = harte Arbeit = toller Hengst). Zum Schlafdefizit gehört natürlich auch noch exzessives Sport machen, tägliches Salat essen und das makellose Aussehen – London8.30 UhrRegendieFrisursitzt – dazu. Denn sie sitzt immer. Menschen die sich dieser Kasteiung entziehen, die entschließen auch an einem Montag erst um 11 aufzustehen – das sind die die herablassend beäugt werden, denn für SOWAS haben WIR keine Zeit. Das müssen Künstler oder verwöhnte Menschen mit reichen Eltern sein – diesen Luxus (Schlaf!) können sich hart arbeitende Menschen ja nicht leisten.
Frage: Diese Bilder in den Medien, reflektieren sie ein “gesundes Leben”? Oder sind sie da um dein Leben in Objekte und Leistungen zu verwandeln? Und wer profitiert davon, dass du diese Bilder siehst und dich plötzlich ganz klein und schlecht fühlst? Und das Gefühl hast du brauchst diese Tasche, diese Figur und diesen Urlaub? Es geht hier IMMER um Geld, Macht und Kontrolle. Unser Gefühl mehr zu brauchen macht jemand anderen, viele Kilometer weit weg, in einem blank geputzten Hochhaus mit Ferrari vor der Tür, sehr reich und uns sehr arm. In der Werbung geht nicht um ein schöneres Leben. Denn ein schönes Leben sind weder deine Leistungen, noch die Dinge die du besitzt, sondern Dinge die sich auf Instagrams und Modestrecken nicht festhalten lassen. Angenommen, wir würden eine Liste an Dingen anführen, die uns im Leben glücklich machen. Die meisten Menschen würden materielle Dinge, Errungenschaften oder leistungsorientierte Verdienste anführen: ein schönes Haus, einen guten Job, tolle Urlaube, viel Geld. Doch dann, an diesen Tagen, wo sich alles gut und zufrieden anfühlt, welche Dinge sind es dann, die diese Liste füllen? Auf meiner Liste stehen da: genug Schlaf bekommen, Zuhause mit meinem Freund kochen, ein Glas Wein auf der Couch, mit Mala kuscheln, Kontrolle über mein Konto und eine gesunde Familie zu haben.
Wir haben uns die Berechtigung zur Freiheit selbst entzogen. Die Freiheit anders auszusehen als Models, die Freiheit unser Leben unkonventionell zu leben, die Freiheit einfach zu tun worauf wir gerade Lust haben. Wir verbringen unser Leben damit der super coole Mensch zu sein, der immer alles unter Kontrolle hat. Wir haben eine endlose Liste an Dingen, die nicht gerne gesehen werden. Wie wär’s mit an einem Dienstag mal bis 4 Uhr morgens ausgehen, nach Mitternacht einen Burger essen, eine Tafel Schokolade in zwei Minuten verputzen, die Wohnung unaufgeräumt lassen obwohl Besuch kommt, die Cellulite akzeptieren und einfach über sich selbst lachen. Darüber lachen, wie verdammt cool wir sein wollen uns es eigentlich gar nicht sind. Denn letztendlich sitzen wir alle im selben Boot: wir alle sind verdammt uncool, unvollkommen und fehlerhaft. Und genau dafür sollten wir uns lieben.
45 comments