VEGANE HIPSTERSCHEIßE

veganerhipstershitSeit knapp einem Monat lebe ich jetzt vegan. Es war ein sehr turbulenter Monat, in dem ich sehr viel gelernt habe:

1. Augenrollen. SEHR VIEL Augenrollen.

So, jetzt habe ich es gesagt. Ich esse vegan und bitte den Kellner um eine vegane Speise. Die augenrollende Lawine ist losgetreten. Augenrollen vom Kellner, Augenrollen von den Tischnachbarn, ja sogar von der Begleitung. In dem einen Monat vegan leben habe ich meinen Lebensdurchnschnitt an augenrollenden Mitmenschen verfünffacht.

2. Achso vegan. Wie wär’s dann mit Garnele auf den Salat?

Nein, ich will nicht abnehmen. Nein ich bin nicht auf Diät. Ich esse diesen Salat nicht weil ich es super geil finde um 21 Uhr Abends einen 200kcal Salat zu mir zu nehmen, ich esse ihn weil er das einzig vegane Gericht auf der Karte ist. Und ja, eine Garnele ist ein Tier und das möchte ich nicht auf meinem Salat haben.

3. “Also ICH esse ja ALLES”

Auf mysteriöse Art und Weise haben sehr viele Menschen das Bedürfnis einem mitzuteilen, sie seien ganz unkompliziert bei der Wahl ihres Essens sobald man ihnen mitteilt man würde sich vegan ernähren.

4. Vegane Hipsterscheiße

Als Veganerin ist man ein Öko, ein Hipster, Emanze, eine Feministin, man hat automatisch Laktose- und Glutenintoleranz und unter den Achseln rasiert man sich sowieso nicht. Bestätigen tun das die Kommentare unter diesem Post den so ziemlich die Hälfte meiner Facebook Freunde geteilt hat. Dass sich der Fleischkonsum seit 1995 fast verdoppelt hat, Massentierhaltung damals auch nicht auf dem unerträglichen Höhepunkt war an dem er heute ist und ich persönlich es toll finde, dass laktose- und glutenintolerante Menschen mit diesem Problem inzwischen nicht mehr allein sind sondern als starke Zielgruppe wahrgenommen werden sei mal so dahin gestellt. Trotzdem leben alle Menschen, die sich gern ein veganes Matcha Eis kaufen in der Schublade mit dem Label “veganer Hipster”. Lustigerweise werden solche Fotos von Menschen geteilt die selbst sehr trendorientiert sind, es aber mittlerweile noch viel hipper finden sich als “altmodisch” zu bezeichnen. Wir alle profitieren von Innovation: Smartphones, Flugzeuge, Autos, Medizin. Doch unser Essen, das soll bitte altmodisch bleiben. Alles andere ist veganer Hipsterscheiß.

5. Vegan, das könnte ich nie!

“Oh du lebst jetzt vegan. Das könnte ich nie!”
“Echt? Hast du es schon mal probiert?”
“Nein.”

6. Was sagt dein Freund dazu?

Früher hat mich niemand gefragt “was sagt dein Freund dazu dass du dir heute ein Joghurt gekauft hast?”. Heute werde ich SEHR oft gefragt, was denn die Meinung meines Freundes dazu wäre, auch von Leuten die meinen Freund nicht kennen. Wenn ich dann erwähne dass er sich auch vegan ernährt kann ich meine hellseherischen Fähigkeiten geltend machen, denn ich weiß mit 100%iger Sicherheit dass im Anschluss der Anschluß “wegen dir?” kommt. Nein, mein Freund hat ein eigenes Gehirn, noch teilen wir es nicht. Ja, er ist zurechnungsfähig und ja, er trifft seine Entscheidungen selbst. Nein, ich peitsche ihn Abends nicht aus und nein, ich zwinge ihn nicht dazu.

Mein Freund wird übrigens die ganze Zeit gefragt, was denn seine italienischen Eltern zu seiner Entscheidung gesagt hätten. Die meisten Menschen gehen davon aus dass seine Eltern ihren Sohn sofort enterbt haben, für italienische Eltern wäre ja bloß Homosexualität noch schlimmer. Für alle die es nach wie vor interessiert: seine Eltern haben seine Entscheidung positiv kommentiert, gutgeheißen und seine Mutter probiert inzwischen selbst vegetarisch zu leben.

7. Und deine Lederschuhe?

Diskussionen. Sehr viele Diskussionen. Auch wenn es kein fundiertes Argument gibt das gegen einen veganen Lebensstil spricht, scheinen ganz schön viele Menschen ganz plötzlich ein Problem mit mir und ganz viele Argumente parat zu haben. Und wehe ich habe dann noch Lederschuhe aus nicht-veganen Zeiten an – ui!!

8. Boah! Respekt!

Viele Menschen zeigen sich mir gegenüber auch sehr positiv und anerkennend. Oft wird so getan als hätte ich den Himalaya erklommen. Mir wurde weder ein Bein amputiert, noch habe ich eine schwere Krankheit überwunden. Ich esse schlichtweg nichts tierisches mehr. Diese mehr als banale Entscheidung wird fast immer zu etwas aufgeblasen was sie nicht ist. Ich atme und lebe genauso wie vorher, ich kaufe Lebensmittel ein, ich koche, ich esse. Nur wurde dafür kein Tier gegen seinen Willen ausgebeutet. Vegane Ernährung ist eine Umstellung, mehr nicht.

9. Aber Alkohol trinkst du schon noch?

Vegan sein ist wie Schluss machen: man verabschiedet sich von lebenslangen Wegbegleitern. Mozzarella, Schnitzel, Omelette und Bergkäse – es ist als würde man sich von seinem Lebensabschnittspartner trennen. Dass man aber nicht ins Kloster geht, scheinen viele Menschen nicht ganz zu verstehen. Ich bin keine Nonne, lebe jetzt nicht enthaltsam und bin auch nicht straight edge – ich kasteie mich nicht und trinke genau wie früher meine Moscow Mules. Die werde ich mir auch nie nehmen lassen!

10. Und weil das alles sehr negativ war…

… möchte ich euch die positiven Erfahrungen nicht vorenthalten. Der letzte Monat war der schönste Monat seit langem. Ich fühle mich so fit, bin gesünder denn je zuvor, habe andere VeganerInnen kennengelernt, allesamt wunderbare, positive und bestärkende Menschen. Ich habe viel Zuspruch bekommen (vor allem auch von euch! Danke dafür!), sogar mein Bruder von dem ich erwartet hätte dass er mich eher nicht ernst nimmt hat meine Entscheidung kein einziges mal ins Lächerliche gezogen sondern dem was ich zu sagen hatte interessiert zugehört. Ich habe angefangen zu kochen und zwar jeden Tag. Ich koche frische, gesunde Sachen, ich habe Dinge zubereitet die ich mir nie zu kochen erträumt hätte (Dim Sum oder Bagels zum Beispiel!). Ich fühle mich einfach nur gut, innen und außen. Vegane Ernährung ist das schönste was mir hätte passieren können! Ich habe festgestellt dass Ellen DeGeneres und andere Menschen die ich ziemlich cool finde vegan leben, ich habe gelernt dass ich mich nicht für meine Entscheidungen rechtfertigen und schon gar nicht mehr auf Diskussionen eingehen muss, denn ich selbst hab früher sehr oft auf VeganerInnen so reagiert wie man jetzt auf mich reagiert. Ich wusste es halt nicht besser.

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