FLÜCHTLINGE IN ÖSTERREICH: WIE KANN ICH HELFEN?

enhanced-buzz-wide-4594-1419014207-13AP Photo/UNRWA, File

Ich bekomme täglich viele Anfragen und Mails von Menschen die gerne helfen möchten. Was in unserem Land gerade mit Menschen passiert die das schlimmste hinter sich haben, ist eine humanitäre Katastrophe und umso bemerkenswerter finde ich es wie viele von euch nicht tatenlos zusehen sondern mithelfen wollen. Helfen klingt oft einfacher als es ist und muss vor allem eines sein: organisiert.

Am Samstag habe ich einen Leitfaden zum Thema Sachspenden auf meiner Facebook Page gepostet, nichts desto trotz hier nochmal ausdrücklich wie ihr helfen könnt:

 

1. Verwechselt spenden nicht mit ausmisten

Spenden sollte nichts damit zu tun haben den ganzen Hausrat und Ramsch loszuwerden und dabei noch sein Gewissen zu beruhigen. Ein syrischer Kriegsflüchtling braucht weder Eislaufschuhe, noch Aufsätze für eine elektrische Zahnbürste und eine afghanische Muslime wird keine bauchfreien Tops oder Reizunterwäsche tragen. Wer spendet sollte dies nicht tun um den eigenen Kleiderschrank zu erleichtern, sondern um den Menschen dort das zu geben was sie brauchen. Ich selbst habe zB. mehr neu gekauft als von meinen Sachen gespendet, einfach weil ich von dem was gebraucht wird nicht genug habe (Deos und Unterhosen zum Beispiel). Oft werden auch Dinge gebraucht an die man gar nicht denkt: Wasserkocher, Nagelzwicker und Nähzeug zum Beispiel.

Viele Menschen haben zur heißesten Zeit des Jahres Wintersachen vorbei gebracht, die im Endeffekt auf der Straße landeten. Die Menschen die in Traiskirchen untergebracht sind haben weder Unmengen Reisegepäck noch einen Privatchauffeur, der ihnen das ganze Hab und Gut von Ort zu Ort bringt. Sprich: sie können keine Ganzjahresgarderobe inklusive Daunendecke mit sich schleppen. Die meisten werden kurzfristig in andere Lager transferiert, das heißt alles was sie besitzen muss leicht zu transportieren sein. Es ist wichtig die richtigen Spenden zur richtigen Zeit zu bringen.

2. Denkt an die Anrainer

Wie Nunu es in ihrem aktuellen Blogpost treffend beschrieben hat: das Spenden ufert aus. Es gib Leute die Kartons voll mit Kleidung einfach auf den Straßenrand stellen, die Leute stürzen sich drauf, raufen, am Ende landet unendlich viel Kleidung auf der Straße. Vor den Häusern der Menschen die dort leben. Das ist in diesem Fall zum größten Teil unsere Schuld. Weil wir nicht nachdenken wie und was wir spenden, sondern glauben mit einer Kiste Klamotten haben wir was Gutes getan und damit hat es sich. Ich selbst sammle die Klamotten oft ein, lege sie zusammen und lege sie beiseite. Oft drücke ich jungen Burschen Müllsäcke in die Hand und bitte sie aufzuräumen. Wenn wir wollen dass die Anrainer diese Menschen nicht noch mehr hassen müssen wir anfangen daran zu denken welche Konsequenzen unsere Taten haben können. Also bitte: verursacht mit euren Spenden nicht noch mehr Dreck.

3. Was soll ich spenden?

Auf meiner Facebook Seite poste ich regelmäßig Updates was am dringendsten gebraucht wird. Die Caritas nimmt keine Sachspenden mehr an, weil ihre Lager gefüllt sind. Diese Lager müssen erst mal sortiert und von Dingen befreit werden die man partout nicht brauchen kann (Stichwort Netzoberteile und Eislaufschuhe). Auch hier ist es wieder “die Schuld der Spender” dass der Caritas die Arbeit erschwert wird, weil die unbrauchbaren Spenden Platz wegnehmen, die für sinnvolle Spenden gedacht sind. Was ALLE Leute dort wollen: Koffer, Reisetaschen (beides mit Rollen) und Rucksäcke. Wichtig ist auch dass die Spenden in gutem Zustand sind. Es bringt nix wenn ihr Koffer mit kaputten Rädern hergebt, die ein 70kg schwerer Mann mit Frau und Kindern nicht ziehen kann, sondern tragen muss. Es macht den Menschen nur noch mehr Arbeit wenn ihr Reisetaschen hergebt, die auf halbem Weg aufreißen. Wenn ihr Sachen hergebt BITTE investiert 5 Minuten um das Loch zu flicken oder 5€ um das kaputte Rad am Koffer zu ersetzen.

Wenn ihr Sachspenden sammelt: sortiert sie gut! Ein Sackerl für Deos, eines für Damenhygiene, beschriftet Schuhe mit der entsprechenden Größe. Das erleichtert euch die Arbeit vor Ort ungemein.

4. Wie kann ich vor Ort direkt an die Menschen Sachen verteilen?

Es gibt ein “Lager”. Die Menschen dürfen rein und raus gehen. Außenstehende dürfen dort NICHT hinein. Die Adresse von der Erstaufnahmestelle (“das Lager”) ist die Otto Glöckl Straße 24 in Traiskirchen. Wenn ihr hinfahrt, stellt euer Auto etwas abseits der Haupteingangs ab. Es werden sofort sehr viele junge Burschen auf euch zugerannt kommen und das Auto ausräumen wollen. Das ist insofern sinnbefreit weil a) sehr stressig für euch b) sie nehmen sich blind Dinge die sie nicht brauchen und dann auf der Straße rumliegen lassen c) nehmen sie sich zu viel so dass andere zu kurz kommen. Wenn ihr euer Auto abstellt, sperrt es ab und geht mal eine Runde. Dann seid ihr die Menschenmasse auch los und könnt in Ruhe eruieren wer was braucht. Geht eine Runde, fragt schwangere Frauen (die trauen sich oft nicht zu den Tumulten wo ausgeteilt wird), ältere Menschen oder Menschen die offensichtlich etwas brauchen (zB. Männer die mit viel zu kleinen Schuhen rumrennen) was sie genau brauchen. Ihr könnt euch auch Treffpunkte mit einzelnen Familien ausmachen, wo ihr euch in Ruhe beim Auto trefft und sie die Sachen in aller Ruhe durchsehen können. So vermeidet ihr Unmengen an Kleidungsmüll auf der Straße und verteilt wirklich sinnvoll. Es ist nicht Sinn und Zweck der Sache mit vollem Auto hin und leerem Auto zurückzufahren, sondern das was WIRKLICH gebraucht wird herzugeben und alles was übrig bleibt wieder mitzunehmen bzw. fürs nächste mal aufzuheben.

5. Was kann ich außer Sachspenden verteilen noch tun?

Am wichtigsten sind momentan nicht die Sachspenden sondern das Organisieren von Unterkünften für einzelne Flüchtlinge und Familien. Wenn ihr ein WG Zimmer habt und bereit wäret einen Flüchtling (Miete wird natürlich bezahlt) aufzunehmen schaut bitte auf die Seite von “Flüchtlinge Willkommen”. Ihr könnt euer WG Zimmer dort anmelden und die Organisation kümmert sich um die Finanzierung. Wichtig ist dass es einen Mietvertrag gibt, sonst gibt es vom Staat meist keine Mietunterstützung. So lange die Flüchtlinge noch keine positive Entscheidung über ihren Asylantrag haben, bekommen sie nur 120 Euro Unterstützung aus der Grundversorgung für den Wohnungsaufwand. Bei einer Familie beträgt sie 240 Euro. Wenn ihr sogar ein Zimmer für 6 Monate oder so kostenlos hergeben könnt: noch besser. Das ist die größte Hilfe die ihr diesen Menschen anbieten könnt. Wer sonst noch Fragen hat kann sich auch an die Wohnberatung der Diakonie oder die  Asylkoordination wenden.

Weiters brauchen ganz, ganz viele Menschen Hilfe bei Behördengängen. Wer Arabisch oder Farsi spricht sollte unbedingt nach Traiskirchen fahren und aktiv mit Menschen sprechen, ihnen Hilfe beim Übersetzen anbieten. Alle Menschen dort bekommen Amtsbescheide nur auf Deutsch und sind damit heillos überfordert.

6. Respekt

Gebt den Menschen den Respekt den sie verdient haben. Fast alle haben nie in Armut gelebt  und tun sich schwer mit der neuen Situation. Erst gestern hat mir ein Familienvater aus dem Irak Fotos von seinem Haus mit Garten und Pool gezeigt (neben einem Foto von seinem Bruder der erschossen wurde) – alles wurde komplett zerbombt. Alles wofür er sein ganzes Leben lang gearbeitet hat. Einer meiner besten Freund im Camp ist ein 24-jähriger Syrer der seinen Bachelor in Business Administration erst kürzlich abgeschlossen hat. Behandelt sie nicht mit Mitleid oder von oben herab sondern mit Respekt auf gleicher Augenhöhe. Lasst diese Menschen ihr Gesicht wahren.

 


 

Das klingt alles sehr streng aber es ist wichtig dass Hilfe gut organisiert und effizient passiert. Ich habe die ganze letzte Woche jeden Tag Spenden eingesammelt und sortiert, Mails beantwortet (bis zu 150 Mails/Messages am Tag) und schaffe das alles leider nicht. Wenn ihr Fragen habt: googelt vorher, schaut euch ältere Beiträge von mir auf Facebook oder Instagram durch – jemand anderer hat dieselbe Frage bestimmt schon mal gestellt und es gibt bereits eine Antwort darauf. Es ist wichtig dass ihr selbst Initiativen startet, Fahrgemeinschaften bildet, hinfahrt und helft. Ihr könnt auch einfach nur hinfahren, Schwarztee und Datteln mitnehmen, mit den Menschen dort einen netten Nachmittag verbringen. Das kostet euch fast nichts außer ein wenig Zeit. Bitte habt Verständnis dass ich ab heute nur noch auf die wichtigsten Mails/Nachrichten eingehen kann.

DANKE an alle die so fleißig mithelfen und DANKE für die Stütze die ihr diesen Menschen seid!

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