Letzte Woche war ich bei einem Workshop der Whale and Dolphin Conservation in München (zu dem ich euch diese Woche noch mehr erzähle) und durfte Shia vom Blog Wasteland Rebel kennenlernen. Ich folge den wohl bekanntesten Zero Waste Ikonen Bea Johnson und Lauren Singer schon eine ganze Weile, habe mich aber privat noch nie dazu durchringen können, endlich selbst größere Schritte in Richtung zero waste zu setzen. Ich kaufe mein Gemüse und Obst schon sehr lange ohne Verpackung, meine Kosmetika und andere Produkte (zB. Reis oder Getreide) kommen aber nach wie vor verpackt. Shia zu treffen war eine unheimliche Inspiration und hat mir einmal mehr die Augen geöffnet. Deswegen bat ich sie gleich zum Interview!
Anfang Juni bringt Shia übrigens ein Buch heraus, man kann er bereits online vorbestellen auf Amazon, Thalia, Osiander, Buchhandel.de, Buch.de, wobei es natürlich generell ökologischer ist, nicht online zu bestellen (O-Ton von Shia). Das Buch wird es auch als eBook geben!
Was ist zero waste?
Ganz eng gefasst geht es bei zero waste um die Müllvermeidung, in der letzten Instanz zu einem selbst als Konsument. Denn als Otto-Normalverbraucher sitzt man leider nicht an den Schaltstellen der Macht und hat nicht unbedingt die Kontrolle darüber, wie an anderen Stellen der Kette Sachen abgewickelt werden. Was man selbst aber ganz direkt in der Hand hat ist aber das eigene Konsumverhalten. Und wir stimmen wie bei einer Wahl mit der eigenen Kaufentscheidung ab. Eingeschweißter Salat? Nein, ich schaffe meine Nachfrage einfach lieber beim unverpackten, regionalen und saisonalen Salatkopf.
Für mich ist zero waste aber ein Teil von etwas Größerem noch: Dem Wunsch, zu lernen, so wenig wie möglich auf Kosten von Mensch, Tier und Umwelt zu leben. Ich lebe ja auch vegan und versuche, mich einem plastik- und palmölfreieren Leben anzunähern und auch sonst meinen ökologischere Fußabdruck zu verkleinern: Weniger Energieverbrauch, autofreies Leben, Neukäufe vermeiden und eigentlich auch weniger Kaffee zu trinken, weil Kaffee pro Kilo eine genauso schlechte CO2 und Wasserbilanz wie Rindfleisch hat, aber äh ja, work in progress halt. Da gibt es noch gaaaaanz viele Baustellen!
Wie lange lebst du schon so?
Der Entschluss, zu gucken, den Müll drastischer zu reduzieren, fiel im September 2014. Das war eine schrittweise Umstellung, und eigentlich war zero waste gar nicht so richtig das Ziel. Mein Mann Hanno und ich dachten halt, wir gucken mal, wie weit wir kommen. Und bisher sind wir zu unserer eigenen Überraschung immer noch nicht an die Grenzen gestoßen. Da ist wohl noch Luft.
Welchen Tipps kannst du jemandem geben, der anfangen möchte zero waste zu leben?
Einfach anfangen! Egal wie wenig, egal wie klein – jedes bisschen zählt! Und nicht bei den richtig kniffligen Sachen anfangen, man muss sich ja nicht das Leben unnötig schwer machen. Soll ja Spaß machen! Man findet so viele Sachen, wo man was machen kann, ohne dass es einem selbst weh tut. Level 1 sozusagen. Sich einen Jutebeutel in der Tasche deponieren. Oder zwei. Taschen sind ja sowieso so kleine schwarze Löcher. Ich krame auch mal vier oder fünf bei mir raus. Egaaal. Erstaunlich einfach war für uns außerdem Getränke in Tetrapak und PET-Flaschen zu streichen. Wir hatten sowieso kurz vorher Grüne Smoothies für uns entdeckt und dachten uns, dass wir statt gekaufte Säfte viel lieber Smoothies trinken. Obst und Gemüse bekommt man ja wirklich überall unverpackt und so profitiert man von den Nährstoffen der gesamten Frucht. Auf Leitungswasser umstellen war ebenfalls gar kein Problem, nachdem wir herausfanden, dass Leitungswasser das am strengsten kontrollierte Lebensmittel in Deutschland, Österreich und der Schweiz ist. Wenn man das nicht trinken mag, dürfte man eigentlich gar kein Lebensmittel mehr zu sich nehmen.
Was was am schwierigsten für dich? Gab oder gibt es Produkte, die dir fehlen oder für die du noch keinen „Ersatz“ hattest?
Haare färben! Meine bunten Haare sind seit Jahren schon mein Markenzeichen. Und ein knalliges Pink oder Türkis wird man nun einmal nie mit natürlichen Haarfärbemethoden hinbekommen, ist einfach so. Ich konnte mich noch nicht dazu durchringen, zu meine Naturhaarfarbe zurückzukehren. Ich hatte mir früher mal kurz für Bewerbungen meine Haare zurückgefärbt und habe mich wie eine ganz andere Person gefühlt. Mein Kompromiss momentan ist, mir nicht die kompletten Haare bunt zu färben, sondern nur einen Teil. Der wird nur einmal im Jahr blondiert und wächst halt bis zum nächsten Mal Blondieren raus. Das lass ich mir beim Frisör machen, wo die Blondierung aus einer Großpackung kommt, wo aber noch Alufolie anfällt. Die Directions färbe ich mir aber immer selber nach. So muss ich nämlich statt alle zwei Wochen nur alle zwei bis drei Monate nachfärben. Denn ich wasche mir meine Haare mit Roggenmehl, dann hält die Farbe deutlich länger. Wenn ich selber nachfärbe benutze ich auch keine Alufolie, sondern trage die Farbe direkt auf, setze mir eine absolut hinreißend sexy Duschhaube mit lila Bümchenmuster auf und lasse die Farbe dann mindestens 7 Stunden einwirken. Das macht echt einen riesen Unterschied.
Was gehört zur Grundausrüstung eines zero waste Lifestyles?
Wiederverwendbare Sachen, und die vorzugsweise plastikfrei. Es sei denn, man hat noch was zu Hause, das man natürlich erst aufbrauchen möchte. Hm, Trinkflasche, Brotdose, Stoffbeutel, Bambuszahnbürste, waschbare Abschminkpads, Stofftaschentücher und Aufgeschlossenheit, neue Sachen zu entdecken und auszuprobieren. Ich hätte noch vor gut 2 Jahren gedacht, dass es verrückt wäre, sich mit Ölen aus der Küche einzucremen. Und mit Kastanien Wäsche waschen? Hallooo? Geht’s noch?? Joah, heute dankt es mir meine Haut, denn all das ist so viel hautfreundlicher! Ich hab Neurodermitis und seitdem keinen Ausbruch mehr gehabt!
Welche zero waste Blogger oder Youtuber findest du am Besten?
Bei Blogs möchte ich euch gerne heute von denen erzählen, die ich toll finde und selber lese, man aber vielleicht (noch) nicht so kennt, oder zumindest hier nicht. Ilka von The Simple Home gibt einem einen ganz authentischen und ehrlichen-selbstkritischen Einblick in ihren veganen zero waste Alltag mit Kind und Kegel auf dem Norddeutschen Land. Auf dem Blog The Rogue Ginger von Erin in Australien gibt es viele praktische Tipps und auch Beauty-DIYs. Kein ein Zero-Waste-Blog, aber dennoch total spannend und sehr informativ finde ich (M)ein Jahr ohne Neukäufe, wo Anna über ihr Selbstexperiment, ein Jahr lang nichts Neues zu kaufen, berichtet. Was ist mit Klamotten, Teelichter, Spülschwämme oder Pflegeprodukten? Sie testet es sucht beharrlich nach Alternativen. Bei youtube gucke ich tatsächlich nichts zu zero waste. Dafür möchte ich euch aber gerne Instagram ans Herz legen, denn da findet man auch viele Zero-Waster, die nicht bloggen und vor allem die Community ist ganz toll. Wenn ich mit irgendwas nicht weiterkomme oder Fragen zu Zero-Waste-Alternativprodukten habe, poste ich das und frage, und man bekommt Unterstützung von den ganzen anderen Zero-Wastern weltweit. Immer wieder inspirierend sind für mich unter anderem @lesswaste_lessworries, @miezwohnung, @going.zero.waste und @paintthiscitygreen.
Was fragen Leute am öftesten, wenn du erzählst, dass du einen zero waste Lifestyle lebst?
Wie machst du das mit Klopapier? Menstruation? Und weißt du, wo es bei mir einen Unverpackt-Laden gibt? Antwort:
1. Bidet-Prinzip mit Wasser und Seife – ist viel hygienischer, würde ich ganz unabhängig von zero waste jedem empfehlen.
2. Ich selbst menstruiere nicht, weil ich die Hormonspirale habe. Lange Geschichte, wäre mir anders ehrlich gesagt lieber, aber gut. Es gibt aber Menstruationstassen, die ebenfalls eingeführt werden, aber im Gegensatz zu Tampons das Blut nicht aufsaugen, sondern auffangen. Das ist auch besser für die Scheidenflora und TSS kann man davon auch nicht bekommen.
3. Ich halte immer meiner Ohren auf, wenn es um das unverpackte Einkaufen geht. Auf meinem Blog habe ich eine Liste angelegt, wo man nach Ortsnamen, Art des Laden und was auch immer suchen kann. Unverpackt-Läden habe ich zusätzlich noch auf einer Karte eingetragen.
Was ist das beste Rezept für ein Kosmetik- oder Haushaltsprodukt, das du kennst?
Ich bin ja zugegebenermaßen ein faules Stück. Ich mache zwar sowohl meine eigenen Pflegeprodukte und Putzsachen selbst, was immer total hochtrabend klingt, aber in echt dauert nichts davon länger als fünf Minuten. Das meiste ist sogar unter einer Minute abgehakt. Ich liebe meine neuen Körperöle, die ich auch für das Gesicht und Lippen benutze. Mit Neurodermitis ist nämlich genau das meistens eine Qual. Man probiert sich durch die ganzen sauteuren Apotheken-Produkte durch, nur um nach wenigen Monaten wieder das Produkt wechseln zu müssen, weil man es nicht mehr verträgt. Jetzt nehme ich Bio-Öle, die wir auch zum Kochen benutzen und meiner Haut geht es so gut wie noch nie. Am liebsten mische ich natives Sonnenblumenöl (schön viel Vitamin E), etwas Olivenöl (im Winter etwas mehr, zieht nicht so schnell ein) und Kokosöl (pflegend, zieht schnell ein). Wer will kann noch ein paar Tropfen naturreines ätherisches Öl für den schönen Geruch dazu geben. Günstiger wird man nicht mehr an Naturkosmetik dran kommen – und Öle in Lebensmittelqualität müssen viel strengere Auflagen erfüllen!
Was sind die einfachsten 3 Dinge, die jeder Mensch, der nicht zero waste lebt, trotzdem in seinen Alltag integrieren und somit Müll vermeiden kann?
1. Wäschenetze statt Plastiktüten für Obst und Gemüse
2. Lieber Sachen in Papierverpackungen und Glas statt in Plastik.
3. Weniger ist mehr! Sich bei Neukäufen fragen: Brauche ich das wirkliche? Steht der Nutzen wirklich im Verhältnis zum angerichteten Schaden?
Neben zero waste, was sind neue „Ziele“, die du dir für die kommenden Jahre gesetzt hast?
Also, noch mal für eine Weile woanders leben, da würde ich nicht “Nein” sagen. Reisen haben wir nämlich zurückgeschraubt weil wir es jetzt einfach ökologisch nicht mehr übers Herz bringen, für ein, zwei Wochen Urlaub um den halben Globus zu fliegen. Aber mal sehen, ich kann nur sagen, dass es in meinem Leben bisher sowieso immer anders kam als geplant. Mein Mann und ich landen beide einfach nie dort, wo wir eigentlich hinwollen. Unser erstes Auslandssemester sollte nach Norwegen oder Schweden gehen. Gelandet sind wir auf Teneriffa. Für mein Praktikum wollte ich mal nach London, es wurde aber Taiwan. Dann wollten wir unbedingt nach Vancouver, sind aber stattdessen das Jahr in Tokio gelandet. Alles ganz crazy und vor allem superspannend, aber äh ja, das Leben steckt halt voller unerwarteter Wendungen! Deswegen setze ich mir auch gar keine konkreten Ziele mehr. Mein Ziel ist mehr eine Richtung als ein tatsächliches Ziel. Ich möchte gerne weiter Dinge machen, hinter denen ich stehe und die mir Spaß machen. Und zwar so, wie ich bin, unter meinen Bedingungen.
Danke Shia für das tolle Gespräch! Ihr könnt ihr auf ihrem Blog, Instagram oder Facebook folgen!
PS: Das ist der Müll, den Shia und ihr Mann in den letzten 8 Monaten produziert haben. Ist das nicht extrem inspirierend und bewundernswert?
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